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2018-02-04 STw.- und SSw. Matschertal

Bericht der Tourenwoche vom 4.2. bis 9.2. 2018 im Matschertal Südtirol

Pünktlich um 07.30 Uhr starten wir in der Gartenstrasse. Bei wenig Verkehr kommen wir schnell voran. Die Fahrt verläuft perfekt, angeführt von Bernhard, wo ich vorne neben ihm und Thomas einen Panoramaplatz einnehmen darf. In der Raststätte Thurau begrüssen wir - wie immer - unsere beiden Bergführer Michael und Reto und fahren weiter durch prächtige Landschaften mit viel Schnee, wenig Verkehr durch den langen Arlbergtunnel in Richtung Reschenpass. Einmal mehr sind wir von der Geschichte des im Stausee versunkenen Kirchturms beeindruckt und betroffen: Im Jahre 1949/50 wurden die Dörfer Graun und Reschen im Obervinschgau Opfer eines rücksichtslosen Stauprojekts. Die Geschichte dieser Seestauung liest sich fast wie ein Krimi - es ist die Geschichte einer Katastrophe. 163 Häuser in Graun und Reschen sowie 523 ha fruchtbarer Kulturboden fielen den Fluten zum Opfer. Über die Hälfte der 650 BewohnerInnen von Graun mussten in die Fremde ziehen, rund 1000 Menschen waren von der Katastrophe betroffen. 120 bäuerliche Betriebe verloren ihre Daseinsgrundlage, fast ausschliesslich Viehzucht. Heute fragen wir uns: wie konnte es zu diesem grausamen Eingriff kommen?

Bereits 1920 unter der österreichischen Monarchie gab es Pläne für einen Stausee am Reschen. Damals wollte man den See um 5 Meter anheben. Die Orte Graun und Reschen wären somit nicht gefährdet gewesen. Später arbeitete der Konzern Montecatini (heute Edison) ein weit gefährlicheres Projekt aus. Zwischen Hitler und Mussolini wurden die Pläne 1939 so verändert, dass der Stausee auf 22 Meter angehoben und somit den Untergang von ganz Graun und eines Grossteils von Reschen zur Folge haben würde. Nach der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht wurden die Arbeiten ganz eingestellt. Doch bereits 1947 wurden die Arbeiten von Montecatini in Graun wieder aufgenommen. Vergeblich versuchte die Bevölkerung von Graun und Reschen sich dagegen zu wehren.

Zur selben Zeit sollte im schweizerischen Rheinwald ein E-Werk gebaut werden, welches das Dorf Splügen und einen Teil von Mendels überflutet hätte. Die Rheinwaldner wehrten sich und der Bundesrat erteilte keine Konzession. Darauf wandte sich die schweizerische Gesellschaft «Elektro-Watt» an den Konzern Montecatini, um sich am Reschenstausee zu beteiligen. Man boot Montecatini 30 Millionen CH Fr. als Dahrlehen an, dafür musste Montecatini während 10 Jahren 120 Millionen kWh Winterenergie in die Schweiz liefern.

Der CH Verband für Heimatschutz war es, der 1949 das Darlehen an diesen Skandal aufdeckte. Diese Veröffentlichung schlug beim CH Volk, das davon nichts gewusst hatte, wie eine Bombe ein. Es war leider zu spät.

Die unter Zwang umgesiedelte Bevölkerung bestand darauf, dass der Kirchturm als Mahnmal stehen bleibt.

Wir steigen aus und besichtigen den eindrücklichen Ort.

Nachdenklich fahren wir weiter und erblicken bald auf der rechten Talseite am

Hang das riesige weisse Benediktiner Kloster Marienberg. Vor einigen Jahren besuchten wir dieses Kloster während einer Skitourenwoche in St. Valentin. Auf 1350m Höhe ist es die höchstgelegene Benidiktinerabtei Europas, sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. Die Krypta beherbergt Freskenzyklen aus der Zeit zwischen 1175 und 1180, ein einzigartiges Denkmal romanischer Kunst.

Weiter fahren wir durch St. Valentin nach Mals. Auf dem gefrorenen See tummeln sich viele Spaziergänger und Eissurfer. Wo sind die Windräder, welche wir hier vor Jahren gesehen haben?

Über Mals gelangen wir ins Matschertal. Eine enge Bergstrasse führt uns steil nach oben zum Hotel Glieshof, unser Ziel und unsere Unterkunft für die kommende Woche. In paradiesisch einsamer Gegend liegt der Glieshof zusammen mit ein paar weit verstreuten Bauernhöfen - eine unglaublich wohltuende Stille erfüllt das Ende dieses Tals. Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten trafen wir uns bald zum Geburtstags-Apèro von Eberhard. Die jungen musikbegabten Hotelier-Töchter spielten uns auf Hackbrett und steirischer Handharmonika ein kleines Konzert - grossartig. Roberta hat die Mädchen gefilmt. Ein unvergesslicher Empfang. Nach hervorragendem Nachtessen legten wir uns früh schlafen, um für die erste Tour gerüstet zu sein.

Montag, 5.2.: Ein geniales, reichhaltiges Frühstücksbuffet eröffnete den ersten Skitourentag. Pünktlich und diszipliniert stehen alle um 9.00 Uhr bereit, dick eingepackt, denn es ist kalt. Unsere erste Tour führte uns ab Haus ins Ramudeltal Richtung Brandknott. Durch lichten Wald steigen wir meist auf einem schmalen Waldweg in die Höhe mit gelegentlichen steilen Abkürzungen quer waldein resp. waldhoch. Die rotbraunen Föhren- und Lärchenstämme leuchten im weissen Schnee und viele Wildspuren sind zu erkennen. Die erste Abfahrt im Pulverschnee ist ein wahrer Genuss. Dusche, Siesta, Sauna, Apéro heute von Susanne und Gunter, gutes Nachtessen runden den Tag ab.

Dienstag, 6.2.: Start 8.30 Uhr Abfahrt nach Matsch Richtung Tasch Schlinig. Nach 40 Minuten Fahrt starten wir auf 1739 m bei nicht sonderlich gutem Wetter. Ein abwechslungsreicher Waldweg führt uns auf die Kälberalm, einen runden Bergrücken über die Baumgrenze und weiter auf den Radaboden. Immer dichter wird der Nebel, so dass wir uns nach der zweiten Pause zur Umkehr entschliessen. Die Abfahrt im Nebel ist gewöhnungsbedürftig, doch mit unseren genialen Führern und luftig leichtem Pulverschnee dennoch ein Vergnügen. Zwischen den Bäumen hinunter ins Tal zu kurven gelingt uns bestens. Auch heute Abend diverse Rituale wie Sauna, Siesta, Apéro von Gerda und Elmar, Nachtessen, Schlummertrunk gehören einfach dazu.

Mittwoch,7.2.: Pünktlich, wie jeden Tag fahren wir 08.30 Uhr nach Matsch und von dort steil runter in die Schlucht, weil wir glauben, auf der andern Talseite hochfahren zu können zu unserem Startplatz… Leider ist die Strasse total vereist - Michi steigt als erster aus dem Auto und fällt gleich hin… somit lassen wir die Autos im Talboden stehen und unsere Tour beginnt so tief als nur möglich… Zuerst über eine kurze steile Wiese, danach auf einer beinahe freigeräumten Strasse mit fürchterlich viel Splitt oder Steinchen, welche ein unerträgliches Geräusch verursachen, das eigentlich gar nicht zu unseren stillen Touren passen will. Auch schmerzt jedes Steinchen, welches an unseren Fellen kratzt. Nun ja, heute ist schlechtes Wetter angesagt und wir starten bei Schneefall, so dass wir eigentlich bloss an die frische Luft wollen. Endlich erreichen wir nach spannenden «Klettereien» über von Reto und Michi improvisierte Treppen den schneebedeckten Waldweg, welchem wir im Eiltempo folgen bis zu einer hübschen Waldlichtung für unsere wohlverdiente Mittagspause. Und siehe da - die Sonne kommt zum Vorschein. Gestärkt folgen wir dem Weg im tief verschneiten Wald immer an Höhe gewinnend und erreichen schliesslich die Runer-Alm. Wieder haben Reto und Michi für unseren Komfort Schneebänke geschaufelt, so dass wir ohne Eile uns stärken sowie Skier und Schuhe auf Abfahrt einstellen können. Nach einem Sonnenbad nehmen wir die Abfahrt unter die Skier im Wissen, dass wir mehr Schneebrettchen auslösen als genussvolle Schwünge vollbringen werden. Ganz wenige Pulverhänge sind uns ein Vergnügen nebst vielen Bruchharstkurven und ungemütlichen Waldwegstrecken. Lustig ist es trotz der vielen Stürze! Zurück im Hotel die üblichen Rituale mit Apéro von Monica.

Donnerstag, 8.2.: Eine Stunde Fahrt über Mals nach Sulden, ein grosser Wintersportort mit riesigen Bahnstationen und entsprechendem Rummel ist unser heutiger Ausgangsort. Bei der ersten Zwischenstation verlassen wir die Riesengondel und fahren ein kleines Stück runter in ein Seitental, durch welches eine breite Abfahrtspiste zur Talstation führt. Unser Aufstieg erfolgt einige Zeit zwischen der Gondelbahn über unseren Köpfen und der noch kaum befahrenen Piste, die wir bald überqueren und über eine schmale Brücke in unberührtes Gelände gelangen. Gleichzeitig lichtet sich der Nebel und die Sonne begleitet uns den ganzen Tag. Ein unvergesslicher Aufstieg umgeben von all den hohen berühmten Gipfeln. Immer wieder beobachten wir wie an einem Gletscher riesige Abbrüche in die Tiefe donnern. Auf dem Hintergratkopf, unser heutiges Ziel geniessen wir den eindrücklichen Panoramarundblick: Cima Beltovo, Chevedale, Ortler, Königsspitze, Zebru sowie Tal auswärts Reschensee und -Pass.

Nach ausgiebiger Pause bei Prachtswetter geniesst jede und jeder die einmalig genialen Abfahrtsbedingungen. Wieder ganz unten im Seitental sausen, wedeln und kurven wir die Piste runter bis zur Talstation und landen in einer echten Südtiroler-Schnulze Bar mit Lichteffekten, Serviererinnen in lustigkomischer, z.T. durchsichtiger Bekleidung und ohrenbetäubender Musik, die eine Unterhaltung verunmöglicht. Zu spät zurück im Glieshof wird der heutige Apéro auf morgen verschoben.

Freitag, 8.2.: Heute starten wir ab Haus ins Upital. Wieder steigen wir zwischen prächtigen Föhren und Arven der Sonne entgegen, die weit oben vielversprechend die weissen Hänge anstrahlt. Immer wieder staunen wir, an Hand der Spuren, mit welch gewagten Sprüngen das Wild sich in die Tiefe stürzt. Beim Verlassen des Waldes gelangen wir auf eine Hochebene im bereits wärmenden Sonnenschein. Auf der Upialm, an der Holzwand der Alphütte sitzend stärken wir uns an Speis und Trank aus dem Rucksack, bevor wir weiter zum Lackensee aufsteigen. Ein kühler Wind fegt uns entgegen. Gruppe zwei entschliesst sich nach einer weiteren Pause zur Rückkehr. Unsere letzte Abfahrt dieser erlebnisreichen Woche wird dank perfektem Pulverschnee zum Genuss. Im unteren Teil sind ab und zu Waldkunststücke gefragt, was allen auf unterschiedliche Art bestens gelingt.

Zurück im Glieshof die üblichen Rituale, Apéro von Thomas mit musikalischer Untermalung von Robertas und Karis Schwyzerörgeli plus Animation zum Gesang, so dass ein herrliches Konzert entsteht!

Zum Abschluss ein köstliches Nachtessen, gekrönt von einem Hauskonzert der beiden Glieshoftöchter. Und irgendwann heute Nacht müssen wir noch packen.

Samstag, 9.2.: 07 Uhr Frühstück, Gepäckstücke und Ski müssen rechtzeitig bei Bernhard hinter den Fahrzeugen stehen, denn er ist ein Meister im Gepäckladen und Ausfüllen der kleinsten Lücken. Ca. 08 Uhr verlassen wir den stillen uns lieb gewordenen Ort.

Die Fahrt verläuft problemlos flüssig. Es gibt wenig Verkehr ausser zweimal Stau bei Landeck und vor dem Arlbergtunnel. In Thurau verabschieden wir unsere beiden tollen Bergführer Michael und Reto. Zum Schluss danke ich im Namen der ganzen Gruppe den beiden wunderbaren Bergführern für ihre grosse Geduld, ihre unermüdliche Hilfsbereitschaft und Fürsorge, ihr Wissen und Können sowie für ihre fröhliche Art uns zu unterstützen.

Ein weiterer grosser Dank geht an Monica, die alles perfekt vorbereitet, organisiert und bis ins letzte Detail an alles gedacht hat.

Madeleine Göschke-Chiquet, Binningen 15.2.2018