Bei prächtigem Spätsommerwetter verlässt unsere Neunergruppe die Pfingstegg mit dem Ziel Schreckhornhütte. Die Nähe zu den wilden Eisbrüchen, die Ausblicke auf die frischen Felsabstürze am Eiger und auf die riesige Nordwand des Fiescherhorns faszinieren immer wieder. Auf der Hütte bereiten uns Rosmarie und Hans einen besonders warmen Empfang. Nach 37 Jahren ist dies ihre letzte Saison hier oben. Geniessen wir an diesem tollen Ort zum letzten Mal eine unschlagbar feine Fruchtwähe?
Der vielseitige Aufstieg am Sonntag führt über exponierte Weglein, durch tiefe Schluchten und leichte Kleterei am Grossenegg zum Fuss des Nässigletschers. Mit Steigeisen erklimmen wir den immer steiler werden Gletscher und halten auf das untere Nässijoch zu. Dank den Neuschneefällen in der Höhe ist das Blankeis des heissen Spätsommers wieder mit einer griffigen Firnschicht überzogen. Kurz vor dem Joch müssen wir recht brüchige Felsen betreten. Und hier passiert ein Malheur: Ein Stein trifft einen der Teilnehmer mit grosser Wucht an Brust und Schulter. Auf dem Joch muss daher die Rega alarmiert werden. Eindrücklich, mit welcher Professionalität die Bergung ausgeführt wird. Es gelingt dem Piloten sogar, den Heli an einer Gratstelle weiter südlich zu landen. Netterweise wird auf dem Weg ins Spital Interlaken bei einer Zwischenlandung vor der Hütte noch das zurückgelassene Material des Teilnehmers mitgenommen! (Die Diagnose ergibt später: Bruch des Schulterblatts. Zwar muss die Schulter eine Weile ruhig gestellt werden. Zum Glück aber ist eine Operation nicht notwendig.)
Nach diesem Vorfall, der uns allen etwas "in die Knochen" fährt, entscheiden wir uns, auf den Gipfelgang zu verzichten. Mit besonders grosser Vorsicht machen wir uns an den Abstieg. Die brüchigen Felsen können wir nach langem Suchen mit einem Zick-Zack-Weg über Felsbänder umgehen. Nach einer letzten grossen Pause bei der Hütte (Aprikosenwähe!) gilt es, den Abstieg ins Tal anzupacken. Mit einer Ausnahme: Markus kann ein lang geplantes Projekt realisieren und fliegt mit dem Gleitschirm von der Hütte aus hinunter bis nach Grindelwald. Ein gemeinsames Z'Nacht im "Glescherdorf" nutzen wir, um uns über einen langen, ereignisreichen Tag auszutauschen.
(Text/Fotos: Markus Stähelin. Ausnahme: die Gleitschirm-Fotos sind von Johannes Stückelberger)
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