Auf den Spuren der Calanda-Wölfe
Im fast leeren Zug nach Chur hätten wir für unsere 14-köpfige SAC – Gruppe nicht unbedingt reservieren müssen, dann bringt uns das Postauto nach Tamins Dorf, wo wir von Georg Sutter, dem ehemaligen Wildhüter im Gebiet der Calandawölfe, empfangen werden. Seit 2002 der erste Wolf in seinem Bezirk auftauchte, ist er fasziniert von diesen Tieren und, neugierig geworden, hat er versucht sie immer besser kennenzulernen. So hat er unglaublich viel zu erzählen und die Wölfe werden für uns präsent, obwohl wir keine gesehen haben.
Wir wandern etwas über das Dorf hinaus, ein Blick über die Ortschaft zeigt wie die Häuser und Gärten in die Wiesen und schliesslich in den Wald übergehen, verzahnt, in fliessendem Übergang. Im Winter kommen die Hirsche auf den Wiesen oberhalb des Dorfes und der Wolf folgt ihnen. Dieser meidet zwar den Menschen, aber er nutzt seine Strukturen, z.B. die Wege. Letzte Woche lag ein wenig Schnee und eine Wolfsspur führte vom Dorf bis zum Kunkelspass auf genau demselben Weg, den nun auch wir emporwandern. Wer sich auf ein gemütliches Exkursions-Schlendern eingestellt hatte, sah sich bald mit steilen Pfaden in flottem Tempo konfrontiert.
Wir finden frische, breiartige Losung: „Mein Hund könnte mir jetzt genau sagen, von wem das stammt“, der aber, ein Hannoveraner Schweisshund, ist heute daheimgeblieben. Die intensiv riechende Kotprobe wird in ein Döschen verpackt, genau beschriftet und zur DNA–Analyse eingeschickt.
An einer Wegkurve beschreibt uns Georg eine Begegnung mit dem Wolf in einer Vollmondnacht: Er selbst sass ruhig wartend im Gebüsch und der Wolf kam das Strässchen daher (nicht umgekehrt).
Georg zeigt uns die Knochen von einer Wolfsmahlzeit, der unverdauliche Huf einer Gemse ist deutlich erkennbar.
Nach einer Pause an einem Brunnen geht es nun aufwärts im wilden Wald zwischen den eindrücklichen Felswänden durch das Foppaloch. In den Felsen sehen wir Löcher und Höhlen, so etwa können wir uns eine Wurfhöhle für die Wölfin vorstellen, die darin ihre Jungen aufzieht. Aber diese ist jetzt weiter oben in den Sommereinstandsgebieten. Wenn die Aufzuchthöhle der Wölfin auf der einen Bergseite ist, dann geht sie weit entfernt auf der entgegengesetzten Seite jagen.
Aktuell sind 3 Wölfe im Calandagebiet, Vater und Muttertier und einer der vorjährigen Jungwölfe. Die anderen sind abgewandert, einer wurde gewildert.
Plötzlich treten wir aus dem dichten Wald auf die gepflegten Alpweiden des Kunkelspasses: Welch ein Kontrast! Hier an den weitläufigen Hängen zwischen Ringelspitz und Calandagipfeln ist das Sommergebiet der Hirschen, somit auch der Wölfe.
Wir machen Picknick auf einer Wiese mit Aussicht auf Ringelspitzhütte und Crap Mats, anschliessend besuchen wir noch das Bergbeizli Überuf für einen Kaffee. Im Abstieg in das Taminatal auf schönem Weg haben wir Sicht auf die wilde Seite der Calandagipfel mit senkrechten Felsnasen und … viel Platz für Wild und Wölfe. In Ober Kunkels hat eine übermütige Yak-Herde Frühlingsgefühle und rennt im gestreckten Galopp die Weide auf und ab.
Am Schluss steigen wir noch einige Meter auf eine Aussichtswiese über dem Dorf Vättis, wo wir uns von unseren Leiter und Experten Georg Sutter verabschieden und uns ganz herzlich für all die spannenden Erzählungen, Geschichten, Informationen bedanken.
Auch über die Probleme der Menschen mit den Wölfen berichtet er, über den tiefsitzenden Hass, über unsinnige Büro-Bestimmungen und die Medien, die massgeblich zur Emotionalisierung beitragen. Einer seiner Kernsätze lautet: „Der Wolf will eben nicht, was sich der Mensch für ihn ausdenkt: Wildnis. Er sucht primär Nahrung und Deckung. Wo er diese findet, richtet er sich ein.“ Er spricht die Hoffnung aus, dass der Mensch lernt dieses faszinierende Tier in unseren Naturräumen zu akzeptieren, es sei ein politischer Entscheid. Probleme mit mehreren aufs Mal gerissenen Tieren gibt es nur bei Schafen, vor allem bei den eingepferchten, - die Wildtiere laufen weg.
Wo der Wolf auftaucht, müssen die Schafherden geschützt werden, am besten geht das mit Schutzhunden. Dies führt für uns Wanderer zu Begegnungen mit diesen eindrücklichen Wächtern und wir sollten wissen wie sie funktionieren und wie wir uns ihnen gegenüber verhalten müssen. Dazu gibt es Gelegenheit am 2. Juli 2016, (Raubtiere 2), wo wir an der von Pro Natura organisierten Exkursion: „Sichere Begegnungen mit Herdenschutzhunden“ teilnehmen können, ebenfalls im Calandagebiet. Anmeldung via SAC-Homepage.
Bericht: Andrea Hecker
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