Tag 1, Montag, 23.6.2025
Wir treffen uns am Bahnhof in Basel, mit Vorfreude, aber auch mit etwas Respekt vor den Temperaturen im Süden und den recht anspruchsvollen Tagesetappen, mit Gepäckdienst, den wir selber leisten müssen.
Mit dem Zug fahren wir nach Brig. Mit dem Postauto über den Simplon, nach Domodossola. Nach einer Kaffeepause weiter mit dem Zug nach Omegna, am nördlichen Ende des Ortasees.
Kurzer Marsch zum Hotel Croce Bianca, Zimmer beziehen, Rucksack deponieren und mit dem nächsten Zug zwei Stationen weiter, bis Orta, etwa in der Mitte des Ortasees, auf der Ostseite.
Einige von uns gehen baden, an einem schattigen, schönen Kieselstrand. Später treffen wir uns alle wieder im pittoresken Städtchen. Um 18h fährt das Schiff ab und bringt uns um 19h zurück nach Omegna. Nachtessen, noch etwas durch die Stadt schlendern, schlafen, Frühstück soll um sieben Uhr sein.
Tag 2, Dienstag, 24.6.2025
Um acht Uhr starten wir unseren ersten Wandertag, von Omegna nach Forno. Unsere Welt fühlt sich warm und bald auch feucht an, wir schwitzen und trinken und schwitzen. Uns fällt auf, dass es viele Brunnen gibt am Weg, Trinkwasser, ideal, um unsere Flaschen immer wieder zu füllen und ab und zu den Kopf zu wässern. Unser Weg führt oft durch schattenspenden Wald, sehr angenehm. Wir laufen durch kleine Dörfer, mit hübschen, blumengeschmückten Steinhäusern, Germagno, Loreglia, Chesio, Luzzogno, Massiolo, schliesslich Forno. Machmal laufen wir auf schmalen Graspfaden, dann wieder auf breiteren Wegen, ab und zu etwas Strasse, und immer wieder auch auf steinigen Wanderwegen mit oft hohen Tritten. Insgesamt abwechslungsreich und kurzweilig. Manchmal weht ein frisches Lüftchen, sehr wohltuend und willkommen.
Fast zwanzig Kilometer und 1000m rauf, von Omegna, kein Wunder, sind wir müde und durstig im Albergo del Leone in Forno. Wir werden sehr freundlich empfangen von Gianni. Zimmer werden uns zugewiesen. Wir sind die einzigen Gäste über Nacht und können uns ausbreiten. Duschen sind vorhanden, die helfen uns sehr, wieder fit und halbwegs frisch zu werden. Unser Nachtessen können wir draussen geniessen, wunderbar.
Tag 3, Mittwoch, 25.6.2025
Gianni macht uns auf eine eingestürzte Brücke aufmerksam, kurz nach Forno, auf unserem geplanten Weg. Etwas südlich können wir die Stelle umgehen und kommen nach 1.5 Km wieder auf den ursprünglichen Weg. Wir steigen stetig an. Bei Piana di Forno finden wir einen idealen Pausenplatz, der unsere drei Hauptbedingungen erfüllt: 1. Schatten, 2. Wasser, 3. Sitzgelegenheit.
In Campello Monti finden wir das La Nigritella Ristorante und Hotel, offen, ideal für eine Kaffeepause. Dann zur Alpe del Veccio und nochmals etwa 600m hinauf, weitgehend ohne Schatten, zur Bochette di Campello, 1920m. Mittagsrast, mit grandioser Rundumsicht. Bis nach Rimella bleiben uns ca. 6 Km und 800m Abstieg. Ab etwa 1450m Höhe haben wir wieder öfters Waldpartien, schattig und angenehm.
Vorbei am Weiler Sella erreichen wir Rimella und unsere Herberge, Albergo Fontana. Eine der Sehenswürdigkeiten in Rimella ist die grosse Kirche. Sie wird renoviert und ist leider im Moment geschlossen.
Weil das Fontana belegt ist mit einer grösseren Gruppe müssen wir noch etwa 10 Minuten absteigen, nach Villa Inferiore, wo wir in einer Dependance unsere Viererzimmer finden, Duschen und Toiletten.
Das Nachtessen im Fontana beginnt um 20h und endet für uns um 22h15, nach 15 Gängen! Sehr speziell und charmant und jeder Gang mit viel Liebe und Sorgfalt zubereitet und serviert.
Mit Taschenlampen steigen wir wieder ab, zu unserer Unterkunft.
Tag 4, Donnerstag, 26.6.2025
Mit gepackten Rucksäcken machen wir uns auf den Weg nach oben, zum Frühstück, um 7h. Alles ist schon parat, reichhaltig und gut, nur das frische Brot braucht noch ein paar Minuten.
Beim Zahlen erleben wir wahre Gastfreundschaft: Gedörrte Früchte, Gutzelis, schliesslich eine ganze Platikbox voll Köstlichkeiten für unterwegs wird uns nicht nur angeboten, sondern fast aufgedrängt. Wir müssten doch etwas zu Essen haben unterwegs. Das, nachdem wir bereits Sandwiches bekamen, die wir am Abend vorher bestellten. Grossartig wurden wir umsorgt.
Zu siebt machen wir uns schliesslich auf den Weg. Drei von uns beenden die Tour in Rimella, wegen der Hitze. Ein guter Entscheid, niemand will und soll sich überanstrengen.
Die Alpe Selle mit dem Rifugio ist unser Ziel, etwa 14Km weit, 1200m rauf und knapp 600m runter. Im Hinterkopf die Frage, kommt der Regen oder kommt er nicht.
Wir steigen zuerst runter, zum Fluss, Torrente Landwasser, über die Brücke, um dann, genau, wieder hochzusteigen, zur Oratorio della Madonna delle Grazie. Gefolgt von der Santa Elisabette. Auf der Alpe Res erreichen wir 1400m, die wir bis San Rocco wieder preisgeben müssen, 1030m. Die Osteria della Piana gibt es nicht mehr, also kein Kaffee. Dafür Picknick am Fluss, Torrente Mastallone, bei Santa Maria, mit Badegelegenheit, entweder nur für die Füsse, oder für alles.
Die ersten Regentropfen fallen, der Himmel ist dunkel. Noch glauben wir an eine Chance, dass die schwarzen Wolken sich wieder verziehen. Bei La Gazza beginnen wir den Aufstieg. Blitz und Donner sind aber bald unüberseh- und hörbar. Regen und etwas Hagel. Wir stehen unter, auf der Alpe Catolino, für fast eine Stunde. Dann denken wir, es sei vorbei und wandern weiter. Nach weniger als einer Stunde kommt das nächste Gewitter, wieder Blitz und Donner, etwas unheimlich. Wieder warten wir an einer etwas geschützen Stelle, bis der Himmel sich beruhigt hat. Dann können wir wieder los, mehr oder weniger nass, zur Alpe Baranca, vorbei am Rifugio, wir beschliessen, den Aufstieg zur Alpe Selle anzuhängen, ohne Pause. Ab und zu noch ein Donnergrollen und vor allem ein Temperatursturz, der uns nach dem Schwitzen fast frösteln lässt.
Vorbei am Lago Baranca, in dem wir in unseren Träumen bereits am Baden waren, den wir jetzt aber fast achtlos links liegen lassen müssen, erreichen wir die Alpe Selle, mit dem Rifugio. Sabrina heisst uns willkommen. Wir schälen uns aus dem nassen Zeugs und sitzen schon bald am Tisch, mit Tee, Kaffee und Kuchen und Bier.
Ein schöner Ort, das Rifugio und die Alp.
Später kommt der Mann von Sabrina, Maurer, extra hoch von irgendwo und kocht für uns vorzügliche Spaghetti. Nach Aufschnitt und Brot. Und vor Polenta mit pikanten Würstchen. Beim besten Willen können wir nicht alles essen und wir denken an Foodwaste. Wir denken falsch. Sabrina hat drei Maultiere, die am Abend vorbeikommen und schauen, was es gibt. Heute gibt es Polenta mit pikanten Würstchen. Bimbo, irgendwie der Pascha der drei Maultiere, frisst alles selbst.
Wir sind die einzigen Gäste und schlafen wunderbar. Die Luft ist frisch und rein auf 1800m, alle sind müde und gut verpflegt, einige sogar frisch geduscht.
Tag 5, Freitag, 27.6.2025
Wir wollen es kaum glauben, dass bereits unser letzter Wandertag angebrochen ist.
Heute geht es ausser 80m rauf nur runter, 1350m, nach Pontegrande. Es ist ein schöner Abstieg, nie sehr steil, vorbei an alten Siedlungen, die heute vor allem als Ferienhäuser genutzt werden. Bannio ist ein bewohnter Ort, etwas grösser als die Weiler, die wir auf dem Abstieg antrafen, ein Kilometer vor Pontegrande.
In Pontegrande überqueren wir den Torrente Anza und sind bereits bei der Bar/Café Posta und der Bushaltestelle. Vorher allerdings noch, beim kleinen Abstecher zwischen den Häusern durch auf schmalen Gassen, weckten wir gefühlt sämtliche Hunde im Dorf, das Gebell war eindrücklich. Zum Glück waren alle hinter Mauern oder Zäunen. Von der Brücke aus sieht man den Monte Rosa.
Mein Dank an alle, die mitliefen, mitdachten und mitmachten und nie die gute Laune verloren. Zusammen haben wir eine neue Wanderwelt entdeckt. EB.
Nachtrag:
Der Rother Wanderführer Piemont Nord inspiriert zu vielen weiteren Wanderungen im Piemont.
Das Buch “Die unsichtbaren Dörfer” von Gino Vermicelli schildert die Gegend, die wir durchwanderten, während der Partisanenzeit, um 1944. (Es ist nicht ein literarisches Meisterwerk, es wird kaum etwas kritisch hinterfragt. Aber die Schilderungen eines Partisanen im Kontext mit der uns jetzt etwas bekannten Geografie machen das Buch für Interessierte lesenswert).
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